Chemischer Vapor Transport CVT 

 

Im August 2019 wurde die Bezeichnung Fluidite auf dieser homepage durch die mehr zutreffende Bezeichnung Vaporit ersetzt, aus CFT wird demzufolge CVT 

 

Transportchemiker verwenden chemische Transportreaktionen um Kristalle zu züchten und andere präparative Methoden der Festkörperchemie zu entwickeln. Der Ursprung dieser chemischen Trasportreaktionen geht jedoch auf Naturbeobachtungen zurück (Binnewies, Glaum et al. 2011).
Die in der Natur selbständig ablaufenden chemischen Transportreaktionen lassen sich mit der
Thermodynamik der Fest-Gas-Gleichgewichtsreaktionen beschreiben. „Die chemisch-thermodynamische
Analyse von Fest-Gas-Gleichgewichten einfacher und komplex zusammengesetzter Bodenkörper ermöglicht die Vorhersage des Transportverhaltens auch in mehrkomponentigen Systemen“ (Wolf, Oppermann et al. 1978, s. auch Schrön, Oppermann et al. 1988). Auf diese Weise werden Zusammenhänge zwischen den zum Stoffangebot führenden Mobilisierungs- und Transportprozessen und den in den Mineralparagenesen bzw. Lagerstätten angereicherten Haupt- und Spurenelemente hergestellt. Auf die Rolle der Spurenelemente bei CVT wird am Beispiel des Germaniums in dieser Homepage hingewiesen (siehe „Bemerkungen zur Geochemie des Germaniums“).
Im Falle der Reaktionen von oxidischen Bodenkörpern mit HX (X= Cl, F) gilt ein Transportmechanismus dem die Fest-Gas-Gleichgewichtsreaktion (1) zugrunde liegt
 
(s = solid / fest, g = gasförmig). Zur Beurteilung des Transportverhaltens der einzelnen gasförmigen Metallhalogenide MeX lässt sich der aus der Gleichgewichtskonstanten des entsprechenden Fest-Gas-Gleichgewichtes ableitbare Reaktionsdruck pMeX (1a) verwenden

 

 

 

Der Reaktionsdruck pMeX ändert sich elementabhängig, mit der Temperatur und in Abhängigkeit von der Gaszusammensetzung. Die Reaktionsdruckwerte pMeX zahlreicher MeCl- und MeF-Verbindungen und ihre Temperaturabhängigkeit finden sich graphisch dargestellt in Schrön, Oppermann et al. 1988. Neben dem Reaktionsdruck pMeX ist für den Transport einer MeX-Verbindung ein hinreichender Sättigungsdampfdruck ps Mex erforderlich. Sättigungsdampfdruckwerte psMex siehe Fig. 1 in Schrön 2013.                         

 Bei der Beurteilung des Transports metallischer Bodenkörper tritt in der Fest-Gas- Gleichgewichtsreaktion (1) anstelle des Oxids MeO das Metall Me.

 

 

CVT in der Geochemie

Die ersten Beobachtungen von CvT in der Natur betreffen die Abscheidung von Hämatit aus mit gasförmigen FeCl3 beladenen vulkanischen Gasen entsprechend Fest-Gas-Gleichgewichtsreaktion (2)

 

Fe2O3(s) + 6HCl(g) ↔ 2FeCl3(g) + 3H2O(g) (2)

 

durch Rückreaktion. Solche Hämatitabscheidungen sind z.B. am Vesuv beobachtet worden. Am Kraterrand des Vesuvs sind auch die Minerale Cotunnit PbCl2, Eriochalcit CuCl2·2H2O, Molysit FeCl3, Scacchit MnCl2, Ferruccit NaBF4 and Hieratit K2SiF6 entdeck worden, die als Hinweis auf CVT dienen, weil die in diesen Mineralen enthaltenen MeX-Verbindungen zu den stabilsten Transportgasen des CVT gehören. Hier interessieren aber weniger Gasphasen, die aus Vulkanen ausströmen und dort ihre Spuren hinterlassen haben, sondern mehr die CVT, die in der Erdkruste (und im Erdmantel) Spaltenfüllungen und Verdrängungseffekte bewirken. Es geht also hier vor allem um hydrothermale Lagerstättenbildung und Metasomatose. 


Der Versuch, die Rolle der CVT in der Geochemie mit typischen Beispielen zu charakterisieren, führte zur Einführung einer neuen Gesteinsgruppe, zu den Fluiditen, die neben Magmatite, Sedimendite und Metamorphite gestellt werden (Schrön 2013). Fluidite umfassen alle mineralischen Bildungen, die infolge CVT durch direkte Abscheidung aus der Gasphase oder nachfolgenden hydrothermalen Transport entstanden sind, einschließlich Umbildungen. Die Eigenständigkeit der Fluidite wird durch eine Reihe von eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten bestimmt (Schrön 2013). Die Endprodukte der sogenannten „magmatischen Restlösungen“ werden den Fluiditen zugeordnet, sobald sie diesen Gesetzmäßigkeiten entsprechen. Bei diesen „Restlösungen“ handelt es sich doch viel mehr um Produkte der Mobilisierungsprozesse durch CVT, d.h. um eigenständige Prozesse. Der Zusammensetzung der für CVT erforderlichen Gasphasen mit den Hauptbestandleilen H2O, H2S, HCl und HF kommt eine maßgebliche Rolle zu. Die verfügbaren Informationen über die exakte Zusammensetzung magmatischer u. a. Gase in der Erdkruste ist jedoch sehr spärlich. Die chemische Thermodynamik der Fest-Gas-Gleichgewichtsreaktionen funktioniert auch ohne diese exakten Informationen. Aus den Haupt- und Spurenelementgehalten der durch CVT abgeschiedenen Mineralparagenesen lassen sich Rückschlüsse z.B. auf die HCl- und HF-Gehalte in der Gasphase ziehen. Sobald die Dominanz von Diffusions- oder Konvektionsprozessen gewährleistet und ein Temperaturgradient vorhanden ist, werden die Voraussetzungen für das Zustandekommen von Kreislaufprozessen erfüllt, was zu einer beträchtlichen Steigerung der Transporteffizienz führen kann.
Mit Kreislaufprozessen gekoppelte CVT können bereits bei relativ niedrigen Temperaturen Stofftransporte erklären, deren Erklärung ohne CVT schwer fällt. Das gilt insbesondere für die Achatgenese (Götze, Schrön et al. 2012, Schrön 2013) wie auch für zahlreiche Topasbildungen, die Topasierung von Gesteinen, Pyknitbildung und entsprechende verschiedenartige Abscheidungen und Anreicherungen von Apatit. Mit zunehmender Temperatur gelangen wir in den Bereich abkühlender granitischer Magmenkörper, bei denen u. U. zwischen einer heißen Greisenzone und etwas kühleren Gangzonen verschiedene Kreislaufprozesse (HCl- und HF-Kreislauf) gleichzeitig wirksam werden und gegebenenfalls zur Erklärung von Zinn-Wolfram- Vererzungen beitragen können (Schrön 1994). In diese Reihe sind noch weitere Vererzungsprozesse einzuordnen, die häufig in ähnlicher Weise bei etwas höheren Temperaturen in monzonitischen (disseminated copper ores) sowie in nephelin-syenitischen Magmenkörpern (Nb–Ti–Zr-Vererzungen) zu beobachten sind (Schrön 2013).
Die systematischen Untersuchungen zur Wirksamkeit von CVT in der Erdkruste sowie im Erdmantel stehen noch ganz am Anfang. Aber schon jetzt ist erkennbar, dass nach Abschluss dieser Untersuchungen einige Lehrbücher neu zu schreiben sind.
CVT in der Kosmochemie
Mineralogische und spurenelement-analytische Befunde sowie der gesamte Stoffbestand der Eisenmeteorite weisen zweifelsfrei darauf hin, dass Oktaedrite, Hexaedrite und Ataxite Produkte von CVT und somit direkt aus der Gasphase abgeschieden worden sind (Schrön 2013; s.auch „Bemerkungen zur Geochemie des Germaniums“ in dieser homepage). Dieser Sachverhalt zeigt, dass CVT auf der Basis thermodynamischer Energie so robust funktioniert, dass selbst die extremen Bedingungen im Solarnebel CVT nicht verhindern können. Wenn dem so ist, dann hat das weitreichende Konsequenzen. Sobald im Universum die Voraussetzungen für CVT erfüllt werden, wird CVT wirksam und es kommt u. a. zur Abscheidung von Eisenkörpern. Die Voraussetzungen dafür sind:
  • das Auftreten von schweren Elementen bis zu Eisen und Nickel infolge Stellarer Nukleosynthese,
  • Anfangstemperaturen von 1500 K und höher sowie Temperaturgradienten
  • das Zustandekommen von Diffusionsprozessen.
Daraus folgt, dass:

1. schon in einem relativ frühen Entwicklungsstadium des Universums jeweils im Zusammenhang mit Frühstadien von Sternbildungen große Eisenkörper produziert werden können. Die Größe dieser Eisenkörper ist nicht von den Elementkonzentrationen im interstellaren Nebel abhängig, viel mehr von den entstehenden Kreislaufprozessen, d.h. insbesondere von der Zeit. Es ist nicht auszuschließen, dass es einen Zusammenhang zwischen diesen Eisenkörpern und Beobachtungen gibt, die eine relativ starke gleichbleibende Entwicklung von Magnetfeldern im Universum betreffen, zumal diese Magnetfelder bereits unerwartet früh auftreten und die Ursachen für die Entstehung von Magnetfeldern im frühen Universum generell noch weitgehend unbekannt sind (Durrer 2013, Lesch 2014).

2
. die o. g. Nickeleisenmeteoriten (Oktaedrite, Hexaedrite und Ataxite) im Asteroidengürtel im Frühstadium der Bildung unseres Sonnensystems direkt aus der Gasphase abgeschieden worden sind. Sie repräsentieren ca. 4,567 * 109 a alte, praktisch unverändert Materie aus der protoplanetaren Scheibe und haben von dort als Meteoriten den Weg auf die Erde und in unsere Laboratorien gefunden. Das verdanken wir dem Umstand, dass die Akkretion im Asteroidengürtel in der Regel nicht über die Bildung von Kleinkörpern hinaus gegangen ist. Bei den Planeten mit Eisenkern sind die Eisenkörper gleichermaßen im Frühstadium der Akkretion entstanden und haben sich primär im Zentrum des entstehenden Planeten abgelagert. Um die Entstehung der Eisenkerne von Planeten zu erklären, ist demzufolge keine Aufschmelzung der gesamten Planetenkörper erforderlich. Die direkte Abscheidung der meteoritischen Minerale aus der Gasphase durch CVT gilt nicht nur für Nickeleisenkörper, also für Kamazit, Tänit, Schreibersit u.a. sondern mit großer Wahrscheinlichkeit auch für weitere in Meteoriten auftretende Minerale, z.B. für solche, die nur in Meteoriten zu beobachten bzw. die auf der Erde nicht zu finden sind. Hauptbestandteile von Kamazit, Tänit und einigen weiteren Mineralen sind die siderophilen Elemente. Alle siderophilen Elemente zeichnen sich dadurch aus, dass sie im Ergebnis thermodynamischer Dominanzbetrachtungen als Chlorverbindungen MeCl transportiert werden. Ihr Transportverhalten ist gleichartig. Lithophile Elemente dagegen werden meist bei geringeren Temperaturen <<1000 K und darüber, dominant als Flurverbindungen MeF transportiert und zeichnen sich durch ein anderes Transportverhalten aus (Schrön 2013). Für die Transportprozesse der lithophilen Elemente im Solarnebel gibt es jedoch nach dem jetzigen Erkenntnisstand weniger gute Voraussetzungen. Die zusammengestellten Argumente sind außerordentlich überzeugend. Die Fortsetzung der Betrachtungen macht eine erweiterte neue, nach Möglichkeit mehr quantitative Bearbeitung der Thermodynamik der Fest-Gas-Gleichgewichtsreaktionen sinnvoll. Außerdem ist der Weg des Beweises durch das Experiment denkbar. Das Widmanstättengefüge der Oktaedrite wird bei hohen Temperaturen irreversibel zerstört. Bei den hier entwickelten Vorstellungen des CVT entsteht das Widmanstättengefüge deutlich unter der Schmelztemperatur von Eisen durch Rückreaktion nach Gleichgewichtsreaktion (3)
Fe(s) + 2HCl(g) ↔ FeCl2(g) + H2(g)
 (3), 
gekoppelt mit Diffusionsprozessen im festen Zustand (s. Schrön 2013). Und das müsste experimentell nachvollziehbar sein.
Fluidite - ein Überblick
Es wird versucht, einen ersten Überblick über das geochemische und kosmochemische Auftreten von Fluiditen in Tabellenform zu geben. Alle Angaben sind Ergebnisse einer thermodynamischen Trendbetrachtung, d.h. alle Temperaturangaben sind Trendwerte.  

1. CVT mit Kreislaufprozessen in der Erdkruste geordnet nach abnehmender Bildungstemperatur

2. CVT ohne Kreislaufprozesse in der Erdkruste 


3. CVT in der Erdkruste und Transport ins Meer / in Seen  
    (3.1-3.4 geordnet nach abnehmender Bildungstemperatur der MeX,g-Verbindung)

4. CVT mit Kreislaufprozessen in der Kosmochemie

Literaturverzeichnis
Binnewies, M., Glaum, R., Schmidt, M., Schmidt, P. 2011. Chemische Transportreaktionen. Berlin,
Walter de Gruyter, 
Durrer, R. 2013. Kosmologische Magnetfelder. Vortrag im Physikalischen Kolloquium der FSU Jena, 09.12.2013
Lesch, H. 2014. Entstehung und Entwicklung von Magnetfeldern in Galaxien und Galaxienhaufen. Vortrag im
Physikalischen Kolloquium der FSU Jena, 06.01.2014
Wolf, E., Oppermann; H., Krabbes, G. und Reichelt, W. 1978. Current topics in material science. Vol.1,p 697. North Holland Publishing Company, Amsterdam-New York-Oxford
 

 

Aktuelle Veröffentlichung
Schrön W: Formation of nickel–iron meteorites by chemical fluid transport
Publication date: 20 October 2016
Journal: ScienceOpen Research – Section: SOR-EARTH

Schrön W. 2019. Über die Schlüsselfunktion der chemischen Fest-Gas-Gleichgewichtsthermodynamik. TU Bergakademie Freiberg Freiberger Forschungsheft Reihe C 556 PDF Download